In der fünften Region Chiles, 200 km von der Hauptstadt Santiago entfernt, liegt Valparaíso an der Küste und ein kleines Stück daneben Viña del Mar, meine Wahlheimat für 3 Monate. Nach meinem Frankreichaufenthalt im Herbst letzten Jahres, habe ich dort in diesem Frühjahr in der Familie meines Austauschpartners gelebt und die Deutsche Schule Valparaíso besucht. Ziel war es, mein Spanisch alltagstauglich zu machen und das chilenische Schulsystem kennenzulernen. Das Georg-Büchner-Gymnasium organisiert schon seit ein paar Jahren diesen Austausch und ich habe die Gelegenheit gerne genutzt.
Woran merkt man, dass man in Chile ist? Wenn man am Flughafen von Taxifahrern genervt wird, die einen, wie lästige Fliegen, nicht in Frieden lassen. Wenn man von Autos und LKWs zugleich in der 50er-Zone mit 130 überholt wird. Wenn man das Wasser im Hotelzimmer zwar trinken kann, in der Hotelbroschüre allerdings für Leute von außerhalb empfohlen wird, nur Wasser aus Flaschen zu trinken. Wenn es ganz viele Regeln gibt, an die man sich unbedingt halten muss, es aber außer einem selbst niemand tut.
Sollten einem diese Umstände widerfahren, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man in Chile ist und es könnte sein, dass man sich, so wie ich damals, zufällig gerade auf dem Weg nach Viña del Mar befindet.
Chile, das durch Erdbeben und Minenunglücke zuletzt in den Nachrichten war, ist ein ziemlich langgestrecktes Land, genauer gesagt das längste Land der Welt, dafür allerdings nicht so breit. Dies macht sich vor allem in den sehr stark variierenden Klimazonen der insgesamt 15 Regionen bemerkbar. Man findet dort von der Atacamawüste bis hin zur Antarktis alles nur Erdenkliche. Chile hat ungefähr 16 Millionen Einwohner, wovon ein Drittel in der Hauptstadt Santiago wohnen, ist allerdings viermal so groß, wie Deutschland. Von den Erdbeben bekam ich zwar einige zu spüren, die sich von der Stärke meist um 6 auf der Richterskala bewegten, dies beunruhigte die Familie allerdings keineswegs und da nichts kaputt ging, gewöhnte auch ich mich schnell daran.
In der Schule hatte ich Spanisch vorher schon zweieinhalb Jahre lang gelernt, die Idee zusätzlich noch einen längeren Schüleraustausch nach Chile zu machen, gefiel mir von Anfang an und als endlich das Okay aus Chile kam, konnte es auch schon mit den notwendigen Impfungen losgehen.
Wieso einen Austausch machen? Ich habe mich dafür entschieden, weil ich finde, dass dies die beste Möglichkeit ist, die Sprache auf der einen Seite, aber auch die Menschen im Land auf der anderen Seite kennenzulernen. Als Austauschschüler habe ich zuvor immer nur gute Erfahrungen gemacht.
In den Osterferien ging es dann vom Frankfurter Flughafen los. Zuerst habe ich eine Woche auf der Osterinsel verbracht, die mit ihren monumentalen Steinstatuen (Moais), restaurierten Kultstätten und Vulkankratern lockt. Sie ist die westlichste Insel Chiles und liegt im polynesischen Kulturkreis, weswegen sich die Einwohner auch eher mit den polynesischen Ureinwohnern Rapanui, als mit den Chilenen verbunden fühlen. Die meisten Einwohner sprechen Spanisch, viele versuchen sich auch in Englisch, manche sprechen sogar Deutsch, weil sie teils eingewandert sind, teils deutsche Vorfahren haben. Das Klima ist ozeanisch und mild sowie relativ trocken. Nahezu das ganze Jahr über bewegen sich die Temperaturen zwischen 12 (nachts) und 30 Grad. Am Ostersonntag habe ich in der Iglesia Santa Cruz den Ostergottesdienst besucht, bei dem katholische und Rapanui-Tradition miteinander verschmelzen (Gesänge, Skulpturen). Administrativ gehört die Insel zur 3.000 km entfernten Región de Valparaíso, wohin meine Reise als nächstes ging.
Nach zwei Wochen Eingewöhnungszeit in Chile wurde ich schließlich an einem Sonntag Familienmitglied meiner Austauschfamilie und der Schulalltag begann. Ich hatte mir Viña del Mar ein bisschen kleiner und idyllischer vorgestellt. Aber letztendlich war der Großstadtdschungel eine gute Erholung von der Deutschen Vorstadtidylle in Bad Vilbel.
Die Schulen in Chile teilen sich auf in staatliche, halbprivate und private Colegios, wie die Deutsche Schule Valparaíso eines ist. Die Qualität der Bildung hängt somit wesentlich von der gewählten Schule und den dafür notwendigen finanziellen Mitteln ab, was sicherlich leider oft zum Nachteil der Schüler ist.
Mein Austauschpartner war in einer anderen Klasse als ich und hatte normalerweise wesentlich länger Schule, da für die deutschen Austauschschüler nur 6 Stunden Unterricht am Tag möglich sind. Dies ist zwar einerseits praktisch, um den Alltag außerhalb der Schule kennenzulernen, andererseits verhindert es aber auch weitgehend die Mitarbeit im Unterricht. Die Bibliothek bietet mit den zwei deutschen Bibliothekarinnen vor allem, aber nicht nur während der Klausuren der Chilenen Zuflucht und Internetzugang. Die Schule organisierte in einigen Wochen auch Aktivitäten wie Kochen, Ausflüge und Spanisch-Unterricht für die Deutschen, was eine willkommene Abwechslung war und den sonst doch recht langweiligen Schulalltag anreicherte.
Dem Unterricht von Anfang an zu folgen, war meist nur schwer möglich, da die Unterrichtspraktiken oft ein wenig abenteuerlich wirkten und nicht gerade zum Mitmachen verleiteten. Schulstoff habe ich zwar so aus Chile nicht viel mitnehmen können, dafür aber umso mehr Spanisch gelernt, was auch die hauptsächliche Motivation für den Austausch war.
Letztendlich denke ich, dass es sicher Gewöhnungssache ist, mit welchem System man besser klarkommt. Ich fühle mich im deutschen Schulsystem jedoch ganz wohl, da Referate und der mündliche Anteil am Unterricht meiner Meinung nach doch recht wichtig sind.
Auch wenn Chile als Entwicklungsland gilt, sind sie in einigen Bereichen auch schon relativ weit voran geschritten. Die Bürokratie ist sicher einer davon, so waren für meine Visumsverlängerung, neben dem üblichen Zettelziehen, Warten und 100 US-Dollar Bezahlen, auch noch jede Menge Papierkram notwendig, bei dem mich meine Gastfamilie zum Glück unterstützt hat.
Dem Nationalmotto „Por la razón o la fuerza“ („Durch Vernunft oder durch Stärke“) machen die Chilenen auch bei der Beschilderung der Straßen alle Ehre, allerdings eher mit der zweiten Eigenschaft. So findet man oft keine oder wenn, dann nur nutzlose Schilder und beginnt irgendwann am eigenen Verstand und der Straßenkarte zu zweifeln. Hier muss man standhaft bleiben und an den rechten Weg glauben, irgendwann kommt dann meistens auch wieder ein brauchbares Schild.
Neben Taxis und Colectivos (Sammeltaxis) fahren vor allem Micro-Busse durch die Stadt und bieten dabei zwar weder Komfort noch Fahrplan, dafür jedoch eine sehr günstige Möglichkeit in die Innenstadt zu kommen.
Ich denke, dass der Aufenthalt in Chile mir nicht nur dabei geholfen hat, mein Spanisch aufzupolieren, sondern auch kulturell sehr interessant war. Ich habe gute neue Freunde kennengelernt und halte seitdem Kontakt zu meiner Gastfamilie. Für Abenteuerlustige ist Chile auf jeden Fall eine Reise wert und dabei eine Erfahrung fürs Leben. Nachdem ich nach meinem Aufenthalt noch vier Wochen im Urlaub durch das Land gereist bin und jetzt in allen Regionen Chiles war, bleibt abzuwarten, ob mich meine Wege so bald wieder dorthin führen werden. Doch jetzt erwarte ich erst einmal den Gegenbesuch meines Austauschpartners, um ihm unser Land und unseren Alltag näherzubringen.
ich finde du hast das gut getroffen (: leider hatte ich nicht die
möglichkeit alle regionen zu sehen 🙁 aber ein super bericht 😀